Dwarim, Deut 1:1 – 3:22

ב“ה

3./4. Aw 5783                                                                      21./22. Juli 2023  

Shabbateingang in Jerusalem:                                                          19:03

Shabbatausgang in Jerusalem:                                                         20:23

Shabbateingang in Zürich:                                                                  20:55

Shabbatausgang in Zürich:                                                                22:09

Shabbateingang in Wien:                                                                   19:35

Shabbatausgang in Wien:                                                                  20:45

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40 Jahre Wüstenwanderung liegen nun hinter den Israeliten. Moses ist mittlerweile 120 Jahre alt geworden, ein Drittel seines Lebens hat er damit verbracht, Gottes Worte, Vorschläge und Verpflichtungen an das Volk weiterzugeben. 

Als junger Mann hatte er den Auftrag erhalten, als er Gott erstmals im brennenden Dornbusch am Berg Horeb traf. Dort wurde ihm auch der Gottesname אֶהְיֶה אֲשֶר אֶהְיֶה – „Ich bin der, der Ich sein werde“ mitgeteilt. Er erhielt von Gott den Auftrag, die Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten in die Freiheit zu führen und als Gottes „Sprachrohr“ zu dienen. Moses sagte damals zu Gott „Ich bin kein Mann des Wortes“ (Ex 4:10) Aaron wurde ihm von Gott als „Stimme“ zur Seite gestellt. 

Doch jetzt, kurz bevor die Israeliten über den Jordan in das ihnen zugesicherte Land ziehen, ist Vieles anders geworden. Nur mehr Kaleb und Joshua sind von denen, die aus Ägypten loszogen, am Leben. Moses weiss, dass auch seine Zeit bald abgelaufen sein wird. Er wird nicht in die neue Heimat hineinziehen dürfen.

Jetzt, am Ende der Reise und seines Lebens, darf er endlich frei sprechen. Er darf seine Emotionen ausdrücken und seinem Volk sein persönliches Testament hinterlassen. In dieser und der kommenden Woche lesen wir die längste Rede, die Moses in den vierzig Jahren gehalten hat.

Noch einmal lässt er die Jahre Revue passieren, erinnert sich noch einmal daran, wie es, dank Gottes Ratschlägen gelang, aus einer ungeordneten Menschenmenge ein wohlorganisiertes Volk zu machen. Er brachte ihnen nochmals die Managementinstrumente in Erinnerung, die die Last auf seinen Schultern erleichterten. „Wie soll ich allein euch tragen: eure Bürde, eure Last, eure Rechtshändel?“ (Dtn 1:12) Auch die Bedeutung eines fairen Gerichtsverfahrens hob er nochmals hervor „Entscheidet gerecht, sei es der Streit eines Mannes mit einem Bruder oder mit einem Fremden. Kennt vor Gericht kein Ansehen der Person!“ (Dtn 1:16-17)

Die letzten Verse des heutigen Wochenabschnittes sind den einzelnen Stationen der langen Wanderung durch die Wüste gewidmet. Moses erklärt noch einmal eindringlich, welche Entscheidungen Gottes zu den teilweise langen Umwegen geführt hatten. Er will damit seinem Volk versichern, dass jeder ihrer Schritte von Gott in einer bestimmten Absicht gelenkt wurde. Nicht alle Entscheidungen waren den Israeliten klar, sie hatten immer wieder gemurrt und sich bei Moses beschwert. Sie hatten sich gegen Gott aufgelehnt und sich immer wieder von ihm abgewandt. Es hatte Moses unglaublich viel Geduld und Mühe gekostet, sie immer wieder aufs Neue zu überzeugen. Nur einmal, wir erinnern uns, war es der sprichwörtliche Tropfen auf den heissen Stein, der seine Gunst bei Gott verspielte. Sein Einschlagen auf den wasserspendenden Felsen hatte dazu geführt, dass Moses nicht mit in das gelobte Land ziehen durfte. 

Es muss eine bittere Erfahrung für den alt gewordenen Mann gewesen sein, dass er am Ende seines Lebens nicht die Früchte seines unermüdlichen Tuns ernten darf. Moses hat sich nie in den Vordergrund gespielt. Er wollte nie ein Anführer werden. Erst als Gott ihn vermehrt dazu drängte, hat er die Verantwortung übernommen. 

Am kommenden Mittwoch beginnt mit Sonnenuntergang der 9. Aw, jener Trauertag, an dem wir u.a. der Zerstörung der beiden Jerusalemer Tempel gedenken. Es ist kein Zufall, dass in unserem Wochenabschnitt der 12. Vers mit dem Wort איכה“ beginnt. Ejcha, so beginnt auch das Klagelied, welches wir am 9. Aw singen. Nur dreimal wird die Langform des Fragewortes אֵיך ejch gewählt. Einmal an dieser Stelle, Deut 1:12, gesprochen vom grössten Propheten aller Zeiten, Moses, ein zweites Mal in einem Buch des Propheten Jeschajahu Wie ist die treue Burg zur Buhlerin geworden?“ und ein drittes Mal in den Klageliedern, geschrieben vom Propheten Jirmijahu. Wie konnte es so weit kommen, dass sie einsam allein und ohne Bewohner sitzt die einst so volkreiche Stadt Jerusalem?“  (Ejcha 1:1). Für jeden der drei Propheten gibt es einen Grund, warum die Tempel zerstört wurden und das Volk Israel in die Diaspora verstreut wurde. Er liegt immer im menschlichen Fehlverhalten. 

Viele Menschen tendieren dazu, jegliche Verantwortung für andere abzulehnen. Sie hoffen, dass diese Aufgabe von anderen erfüllt wird. Ihr Handeln, ohne einen Blick auf das Wohlergehen der Gesellschaft, wird sie irgendwann vereinsamen lassen. Mehr als das, sie können sich so nie in einer schützenden Gesellschaft verwurzeln. 

Shabbat Shalom!



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